Das Grauen kommt auf leisen Sohlen

Nach fast 20 Jahren Leben am Mittelmeer kommt mir der Alltag hier im Schwabenland mitunter etwas spanisch vor. Warum benutzt der gemeine Deutsche zum Beispiel ungern Servietten? Oder wie kommt es, dass auch in Mietshäusern der Platz vor der Wohnungstür mit Möbeln, Pflanzen und Schuhen vollgestellt wird?  Warum ziehen immer alle die Schuhe aus, wenn sie bei Freunden eingeladen sind?

Zum Beispiel das mit den Schuhen. Natürlich gibt es objektive Gründe, warum man sich hierzulande die Schuhe auszieht, wenn man eine Wohnung betritt: Das Wetter ist öfter schlecht und die Schuhe dementsprechend dreckiger als dort, wo oft die Sonne scheint. Und: Viele haben Parkett, der schnell zerkratzt ist. Die Füße bleiben in den gut geheizten Wohnungen mit Holzböden besser warm als auf den kalten südeuropäischen Fliesen.

Sockige Party

Trotzdem finde ich es etwas befremdlich, wenn ich auf einer Party in Socken herumstehe, oder die Hausherrin mir fürs Abendessen ein Paar Gäste-Latschen anbietet. Ich habe mir abgewöhnt, Kleider zu tragen, weil ich mich im Rock besonders vor fremden Pantoffeln fürchte.

Auch auf den Anblick des Hausherrn in Puschen würde ich lieber verzichten. Unwillkürlich denke ich: Der steht unterm Pantoffel. Laut Duden bedeutet das: Er wird als Ehemann von seiner Frau beherrscht. Der Schuh beziehungsweise der Fuß galt im alten deutschen Recht als Symbol der Herrschaft. Vielleicht ist das die Rache der Frau für geringere Löhne und Benachteiligung im Berufsleben: Im Haus degradiert sie ihn zum Müllraustrager und Patschen-Pascha, zum Schluri in Schlurren.

Ein Riss geht durch Deutschland

Am aller-allerschlimmsten finde ich Pantoffelträger, die auf cool machen: Sie haben gerne diese grellbunten gelochten Clogs an. Sie sind ja so praktisch! Und ziehen – wie ich jetzt gelernt habe – einen Riss durch Deutschland: Entweder man liebt oder hasst die Plastikschuhe. Anscheinend gibt es sogar Foren und Blogs, in denen die Clogs genüsslich zerfetzt, verbrannt oder gesprengt werden.

Auch der Mann meines Herzens besitzt zu meinem Entsetzen ein Paar gelbe Clogs. Ich habe sie ganz hinten im Schuhschrank vor der Wohnungstür versteckt und ihm ein Paar Pantoffeln mit Hasenohren geschenkt. Wegen der Gemütlichkeit. Wenn Gäste kommen, darf er die Schuhe anbehalten.

8 Antworten auf „Das Grauen kommt auf leisen Sohlen“

  1. Mir kommt keiner ins Haus mit den dreckigen Straßenschuhen.

    Ich laufe selbst entweder barfuß oder mit Socken rum und meine kleine Tochter krabbelt auf dem Boden.

    Wem es stört – bleibt draussen.

    Aber die meisten haben so viel Respekt vor meinen Hausregeln um die einfach zu befolgen.
    Gästeschuhe gibt es bei uns keine.

  2. Herrlich! Ich glaube, wir alle haben so unsere Clogs-Vergangenheit. Meine waren natürlich auch hölzern und ich habe sie geliebt. Das war ungefähr in der Zeit, als ich diesen hellbraunen dreiteiligen Mini-Wickelrock aus weichem Wildleder trug, abwechselnd mit rosa Hotpans, die mir meine Tante Herta aus Göppingen (für mich der Inbegriff der Großstadt!) geschenkt hatte. Was würde man dafür geben, diese Stücke heute noch hin und wieder rauszukramen und auf dem Altar der Unvergesslichkeiten auszustellen.

  3. Gutes Thema, brillant geschrieben!
    Nun, zu Clogs, also den echten, den originalen und einzig wahren, hab‘ ich als ehemaliger Zahntechniker natürlich eine ganz besondere Beziehung: Die gehörten ganzjährig zu meiner Arbeitskleidung.
    Aber die waren natürlich mit hölzernem, anatomisch ausgeformtem Fußbett und wurden – damals exklusiv – von „Berkemann“ hergestellt. Das lederne Oberteil war weiß und bekam erst nach Monaten eine nicht unangenehme Patina.
    Meine hatten zudem eine sicher einmalige Besonderheit: Weil wir in der Mittagspause Tischtennis im Hof und dabei auch „Mexi“ spielten, setzten meine dauernd gerannten Linkskurven dem Weichholz-Unterbau dem rechten Teil auf Dauer schwer zu – so schwer, dass das Holz links vorne bald komplett abgearbeitet war und die Ledernägel ‚rausschauten!
    Nun war ich aber damals schon Schwabe, und neue, wirklich relativ teure Clogs zu kaufen wegen einer nur lokal begrenzten Deformation, das konnte nicht sein…!
    Fazit: Nach der Mittagspause wurde das im Kampf um den Ball eingebüßte Material durch Prothesen-Kunststoff ersetzt! Rosafarben, leicht opak! Fast schon wieder chic…!
    Und Zusatz-Bonus dabei: Als leidenschaftlicher Schlagzeuger konnte ich dann und wann in der Gipsküche (Linoleum-Boden!) eine Fred-Astaire-würdige Stepeinlage zum Besten geben…:-)

  4. Gut erkannt (und geschrieben): Ich bin auch jedes mal entsetzt, wenn man als Gast aufgefordert wird, seine Schuhe auszuziehen. Da steht man dann etwas doof da – in seinem schicken Abendkleid… Schlimmer ist es nur noch für diejenigen, die mit intensivem Fußgeruch zu kämpfen haben. Der Pantoffelzwang ist zutiefst unhöflich, wenn man bedenkt, dass Höflichkeit bedeutet, anderen eine angenehme Zeit zu ermöglichen.

  5. Hahahaha, herrlich herausgearbeitet!
    Ich habe übrigens keine Gummilatschen und auch keine Hausschuhe!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.